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Kai Hörstensmeyer und Kutlu Gürelli

"Vorrübergehend abwesend"

Ausstellungsdauer: 15. 11 - 20. 12.2002


1 und 3: Kai Hörstensmeyer: VORÜBERGEHEND ABWESEND (Installation; Video,Stock,Hut, Polaroid)
6, 7 und 8: Kutlu Gürelli: IM /PRESS/IONS von Kutlu Gürelli (Fotografien auf MDF)
2, 4 und 5: RABBIT HUNTING (Installation; Videostills / Gemeinschaftsarbeit)


In der zum Jahresende hin auslaufenden Ausstellungsreihe Begegnungen treffen zum letzten Mal zwei Künstler aufeinander: Kai Hörstensmeyer aus Münster und Kutlu Gürelli aus Ankara (Türkei). In den beiden Künstlern hat sich ein Künstlerpaar gefunden, das in seinen Arbeiten und in den Herangehensweisen das sozusagen übergeordnete Thema „Begegnungen“ nicht nur aufgreift, sondern es grundlegend verarbeitet, - es als veränderndes Phänomen begreift und um- bzw. einsetzt.

Im vorderen Teil des Foyers befinden sich die beiden Einzelarbeiten. Auf dem Boden vor dem Fenster sehen bzw. hören wir zunächst die Installation von Kai Hörstensmeyer mit Video, Klangaufnahmen und den Objekten Stock und Hut. Wer den Gang nach draußen schon gemacht hat, weiß, wovon ich rede. Wer sich hinaus begibt, den Ort wechselt, wird „vorübergehend abwesend“ sein und mindestens zwei Erfahrungen machen: dass eine vollständige Wahrnehmung dieser Arbeit offenkundig nicht möglich ist, denn der Klang und das Sichtbare sind durch die unterschiedlichen Orte voneinander abgelöst. Zum anderen findet sich der Betrachter gespiegelt in der gefilmten Position des vorübergehenden Passanten auf der Straße. Man könnte also von einer Inszenierung einer Inszenierung sprechen: Die Komposition der Arbeit ist nämlich so angelegt, dass sie den Betrachter dazu animiert, seinen Standort zu wechseln. Somit übernimmt die Installation eine interagierende Funktion. - So wie der Hut im aufgezeichneten Video, der mit dem verblüffenden Hinweisschild ausgestattet ist: „Komme in fünf Minuten wieder.“ Und die unterschiedlichsten Reaktionen bei den Passanten hervorgerufen hat. „Interaktion“ ist eines der wichtigen Schlagwörter in Hörstensmeyers Überlegungen, führt sie doch dazu, dass der Betrachter zum Teil der Arbeit wird, Doch mindestens ebenso wichtig ist für Beschäftigung mit den verschiedenen Räumen: der öffentliche Raum der Straßen etwaiger Innenstädte als Ort der Begegnung bzw. Nicht-Begegnung zwischen Passant und Straßenmusiker dient als Örtlichkeit des Experiments, welches hier im cuba - an einem weiteren öffentlichen, vielleicht etwas exklusiveren, d.h. bestimmteren Ort - in Form der Installation ausgestellt wird. Zum einen weist diese Verlagerung der Örtlichkeiten auf ihre Unterschiede, zum anderen aber macht gerade das interagierende Moment der arbeit deutlich, wie sehr die Grenzen der Räume verwischen: Wo ist denn der Raum der Kunst? Hier? Oder draußen auf der Straße? Oder die Begegnung: Findet sie statt? Hier? Oder draußen? Oder überhaupt?

Auf der rechten Seite an der Wand hängen die Fotoarbeiten Gürellis, eine Serie, bestehend aus 16 Einzelbildern. Sie bilden BodyPrints ab, d.h.: buchstäblich geprägt sind verschiedene Körperpartien seines abfotografierten Körpers von Formen, Gegenständen, Schriftzügen als Stellvertreter seiner Erfahrung, seiner Begegnung mit unserer Lebenswelt. Uns vertraut und alltäglich hinterlässt die Begegnung mit ihr Spuren bei demjenigen, der von außen kommt, betrachtet, wahrnimmt. Und zwar fundamental, wie es die Wahl der nackten Körperhaut als Druckunterlage nahe legt. Und umfassend, wie die Vielzahl der deutlich erkennbar verschiedenen, geprägten Körperpartien signalisieren. Wie in der Installation Hörstensmeyers handelt es sich um Banalitäten, die durch einen ganz bestimmten Blick in den Mittelpunkt gerückt und zu Repräsentanten des Phänomens „Begegnung“ werden, und zwar ein-drücklich, vielleicht sogar nach-drücklich? Kutlu ist am Abend der Austellungseröffnung abwesend, und dennoch begegnen wir ihm, weil er durch seine Arbeit Spuren hinterlässt. Auch hier wirkt die Begegnung weiter oder findet vielleicht erst statt? Die Grenzen zwischen dem Hier und dem Dort verwischen im Kontext von Gürellis Fotografien. Die Gegenstände und Formen, denen der Körper begegnete, sind ebenso abwesend, nur noch die Abdrücke sind ablesbar ? dauerhaft? Nur für einen Moment? Jedenfalls fixiert in den Fotografien.

Die Gemeinschaftsarbeit „Rabbit Hunting“ im hinteren Teil des Foyers ist tatsächlich aus gemeinsamen Arbeitsüberlegungen und -schritten erwachsen. Nur soviel: Eindruck haben vor allem die Münsteraner Kaninchen auf Gürelli gemacht, woraufhin - des Nachts - eine Begegnung der anderen Art zwischen Künstlern und den poussierlichen Tierchen auf der Promenade stattgefunden hat. Das Ergebnis dieser Kaninchenjagd erzählt die Bildergeschichte.

Hille Schwarze




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