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Timo Kube

Zeitfenster

Austellungsdauer: 04.06 - 27.06.2004







Ein knalliges Orange-Rot strahlt dem Betrachter entgegen, benötigt die gesamte Wand, so raumgreifend ist es. Voller Intensität leuchtet es so sehr, dass es den Besucher vielleicht sogar anspringen würde, wenn es könnte und nicht zurück-gehalten würde. Konventionelle Rahmen, in die diese leben-dige Farbe gepresst ist, halten sie im Zaum. Es ist aber nicht nur die Farbe, die zurückgehalten wird, sondern auch – und daran wird der erzwungene Zustand noch deutlicher – das Material, das in seiner üblichen Ausdehnung zusammen-gepresst ist: in Fetzen zerrissenes Schaumgummi. Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses in einen unantastbar und unveränderlich wirkenden Status versetzte Gebilde weisen farbliche Korrespondenzen den Weg: Im Durchgang zum Beispiel, aber vor allem die Bilder des Videos:
Unruhig und wackelig, unstet sind sie und nur wenig beleuchtet. Schemenhaft huschen die Bewegungen und Objekte über den Bildschirm. Eine Nacht-und-Nebel-Aktion, die das Auge bannt.
Es leuchtet dem Besucher dasselbe Orange-Rot, das ihm in den Bildern begegnet, entgegen. Es ist der Korpus bzw. die Büste eines glückselig und versunken lächelnden Jünglings. Aber glückselig ist seine Situation wahrhaftig nicht: Geschleudert wird er nämlich – auf eine Art Podest mit diffus spiegelnder Metalloberfläche. Die Assoziation einer Guillotine mag einem in den Sinn kommen. Diese lächelnde Büste zerreißt ein Jemand mit Vehemenz und erschreckender Unaufhörlichkeit. Langsam, aber sicher wird sie in Stücke und in Fetzen zerrupft. Hin- und hergeschleudert wird der Jüngling, dass ihm der Kopf in grotesk anmutender Manier nur so wackelt – wie das Spiel der Katze mit ihrem noch lebenden Jagdopfer. Geradezu grotesk erscheint auch das immer-währende Lächeln in diesem ausgelieferten Zustand, bis es unwiederbringlich zerstört ist. Noch absurder in dieser Situation ist der Break, der passiert, wenn immer wieder – genauso umaufhörlich – der Knopf in einem Aufzug gedrückt wird. So findet diese Hinrichtung der Schaumgummi-Büste also in einem fortwährend nach oben und wieder nach unten fahrenden Aufzug statt. Doch zu Ende ist die Märtyrerfahrt noch lange nicht, denn per Loop beginnt das Video immer wieder von Neuem.
Ein Jemand nimmt die Passivität des Jünglings zum Anlass, um in diese aggressive, kontinuierliche Aktion der Zerstörung zu treten. Wer ist dieser Jemand? Man taucht in die Bilder, in die Bewegung durch die Ich-Perspektive ein, als wäre man selbst dieser Jemand? Unheimlich und gleichzeitig grotesk ist die visualisierte Destruktion.
Geht man in den Durchgang, so sind die dazugehörigen Geräusche zu vernehmen, leise und ewig wiederkehrend - auch hier ist man nicht entlassen aus dem Katz-und-Maus-Spiel! Und schon gar nicht, wenn man um das monumenthaft wirkende Podest samt diffus spiegelnder Oberfläche kaum herumkommt. Der an die messerscharfe Guillotine erinnernde Spiegel als Projektionsfläche zusammen mit der Ich-Perspektive der Kameraführung im Video wirft uns als Betrachter immer wieder auf uns selbst zurück. Was haben wir denn mit einem solchen Akt der Zersetzung, Zerstörung, Destruktion zu tun? Sind wir in einen passiven und zugleich unantastbaren Zustand gepresst? So wie es die Konvention mit den Fetzen tut? Oder sind wir selbst auch Ausführende solcher – manches Mal irreversiblen – Destruktion, unauf-hörlich – so wie der Knopfdruck im Aufzug? Gehört die Groteske nicht nur zu den Katzen und zu den Mäusen, sondern auch zur menschlichen Existenz? Voller Unstetigkeit und Beunruhigung begegnen wir dieser Möglichkeit – so wie es uns die Bilder vor Augen führen. Oder schließen wir doch lieber den Mund, die Augen und Ohren, so wie es uns wiederum die Büste im vormacht? Aber vielleicht sind ihr auch die Sinnesorgane verstopft worden? Taub, blind und stumm ignorieren wir das Phänomen der Vergänglichkeit – uns betreffend und im Allgemeinen?
Nun erklärt sich jedenfalls, woher die eingesperrten und nun nahezu ikonenhaft wirkenden Fetzen stammen. Mumifiziert und unantastbar in ihrem zerstörten Zustand bleiben sie und erinnern an Vergangenes und an Vergänglichkeit, die sich in gewisser Weise unaufhörlich wiederholt und in ewiger Wieder-kehr in die Zukunft weist – zumindest in dem Zeitfenster, das uns Timo Kube eröffnet hat.






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