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Olivia Seiling
"Rauchen muss man"  

Ausstellungsdauer: 13.11.- 5.12.´99 


Olivia Seiling, 1972 in Beckum geboren, studiert seit 1994 an der Kunstakademie Münster und ist Meisterschülerin in der Klasse von Prof.Joachim Bandau. In ihrer Ausstellung beschäftigt sie sich mit Rauch als Skulptur, als Material einer Kunstform und dem Rauchen als Ausdruck eines bestimmten kulturellen Selbstverständnisses. 

All diese Faktoren konzentriert die Künstlerin in einem Raum. Das cuba-Foyer wird zur Raucherzone, gebildet aus der Kunst, die zum Thema Rauchen zu sehen ist, und den Besuchern, die sich rauchend an der Raumskulptur beteiligen. Zu entdecken sind Porträts rauchender Menschen in den Medien, der Zeichnung und des Reliefs 

(Goldstiftzeichnungen auf Papier, Folienzeichnungen, als Rauch-Raum-Konstruktion gehängt, und vergoldete Gipsreliefs). In dieser ausschliesslich glorifizierenden Darstellung des Rauchens und der Raucher findet sich die ganze Zweifelhaftigkeit dieser Veranstaltung aber auch die ironische  Handhabung und Vielfalt dieses Themas: Der Aufruf zum Rauchen , vielleicht mit dem merkwürdigen Beigeschmack, so manieriert und aufgesetzt zu handeln, wie dieser Raucherraum es vorschreibt. 


Rede zur Ausstellungseröffnung von Olivia Seiling  

Die Priester der Maya schlürften den Rauch brennender Tabakblätter, um so ihren Geist zu beflügeln und scheinbar in umwölkter Höhe eins mit den Göttern zu sein. 

Beendet wurde derart himmlisches Rauchen von Christoph Kolumbus, in dessen Briefen zu lesen ist: "Wir sahen Männer und Frauen, die einen Feuerbrand und gewisse Kräuter in den Händen trugen, um sich damit zu beräuchern. Sie haben ein Kraut, das sie in ein trockenes Blatt einwickeln, an einem Ende anzünden und an dem anderen mit Wonne und Entzücken saugen. Sie tranken gewissermassen durch Einatmern den Rauch. Die Leute nennen diese Art kleiner Musketen, 'tabagos'."

 Der Tabak hatte seinen Namen gefunden. In der Indiandersprache bedeutet 'tobaco' auch Rauchrohr. Für sie war das Miteinanderrauchen, Ritual und Symbol für Frieden. 

Anfang dieses Jahrhunderts machte die maschinelle Produktion die Zigarette rasch zu einem Massenartikel, der fortan an jeder Straßenecke verfügbar war. Auch wurde nicht mehr wie eins in speziellen Rauchersalons gequalmt, sondern nun überall.

 Olivia Seiling hat das Cuba-Foyer zwar nicht in einen Rauchersalon verwandelt, sondern in eine Raucherzone, in einen Raucherraum. Sie hat Raucher und Nichtraucher jedoch nicht nur eingeladen, um die Arbeiten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, zu betrachten. Gezeigt werden Raucherporträts als Goldstiftzeichnungen auf Papier, als Folienzeichnungen und vergoldete Gipsreliefs.

Darüber hinaus hat die Künstlerin Folienzeichnungen zu einer Rauchraumkonstruktion gehängt, die vom restlichen Raum abgeschlossen, brennende Zigaretten und deren Rauch beinhalten. Die Besucher sind aufgefordert, sich rauchend bzw. räuchernd an dem Raumobjekt zu beteiligen. Olivia Seiling erweitert damit den Rahmen einer Ausstellung, die nicht nur das fertige Kunstwerk präsentiert; sie vergrößert ihn um Aktionselemente der Fluxus- und Happeningbewegung. 

Bereits John Cage sagte diesbezüglich. Ich zitiere: 

"Die Kunst ist statt eines Objektes, das von einer Person hergestellt wurde, ein Prozeß, der von einer Gruppe in Bewegung gebracht wird. Sie bedeutet nicht, das jemand etwas sagt, sondern das Leute etwas tun, das jedermann die Chance gegeben wird, Erfahrungen zu machen, die er sonst nicht mehr gemacht hätte.2

Stefan Pölzer , Münster, den 13.12. 1999




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